Erwachsen werden

Datum: 26. Mai 2024 | Prediger/in:
Serie: | Bibeltext: Epheser 1,1-23

Wie werden wir zu einem reifen und erwachsenen Christen? Wie werde ich geformt und im Glauben erwachsen?

Wir wurden alle einmal geboren. Ohne Ausnahme. Durch die Geburt sind wir zum Leben erwacht. Mit den Füssen gestrampelt mit den Stimmbändern geschrien. So sind wir auf diesem Planeten angekommen... und es ist ein weiter, komplexer, angeschlagener und herausfordernder Ort, diese Welt. Und so haben wir in kleinen Schritten, Stück für Stück gelernt damit umzugehen. Von der Mutterbrust getrunken, die Augen geschlossen und geschlafen und wieder aufgewacht. Dann eines Tages haben wir allen vorgezeigt, wie wir aufrecht gehen können. Dann ist es nicht mehr lange gegangen wir haben den ersten Satz gemacht. So kommen wir an und wachsen auf.

Jesus brauchte das Bild von der Geburt, um von einer anderen Geburt zu reden: Mit Leben erfüllt werden, ein Leben mit Gott. Ein Leben mit Weite, mit Schatten und Nuance, aber wunderschön. Mit unserem Leben erleben wir Gottes Willen und sein Reich. Leben ist mehr als nur Geborenwerden, mehr als nur Muttermilch, Schlafen und Laufen-lernen. Da gibt es auch noch Gott!

Jesus hat das Bild von der Geburt in einem Gespräch mit Nikodemus eingeführt. An einem Abend in Jerusalem sagt Jesus zu Nikodemus „du musst von oben geboren werden“[1] (Joh 3,7). Dieses Bild wird auch übersetzt mit neugeboren. Nikodemus hatte dieses Bild nicht verstanden.

Doch wenn wir weiterlesen, dann merken wir, dass er es am Schluss doch noch verstanden hatte. In Johannes 19,38-40 wird er dann bei der Beerdigung von Jesus erwähnt. Also, irgendwie muss die Geburt stattgefunden haben, sonst wäre er bei der Abdankung nicht erwähnt worden. Nach dem Gespräch mit Jesus, ist hat er gelernt zu laufen und ist erwachsen worden – er hat verstanden und macht jetzt mit. Er ist auf dem Weg zur Reife. Zur Reife in der Welt von Gott. Ein mit Gott erfülltes Leben.

Also zuerst Geburt, dann Wachstum. Als Christ erwachsen zu werden, beinhaltet unser ganzes Mensch-sein: Unser Körper, unsere Beziehungen, unser Denken und unsere Emotionen – all das kommt zusammen, wenn wir in Christus erwachsen werden. Unser Glaube an Jesus durchdringt alles. Wird genährt von Gott und fliesst in unsere Beziehungen.

Durch den Heiligen Geist erwachsenwerden ins Ebenbild von Christus. Von Johannes dem Täufer heisst es zum Beispiel: „Das Kind aber wuchs heran und wurde stark im Geist. Und er war in der Wüste bis zu dem Tag, an dem er öffentlich auftreten sollte.” (Lukas 1,80) Und von Jesus lesen wir ungefähr eine Seite später “Und Jesus nahm zu an Weisheit und Alter und Gunst bei Gott und Menschen.” (Lukas 2,52)

Paulus sagt im Epheserbrief etwas ähnliches: wir sollen “heranwachsen zur vollen Reife in der Fülle Christi (…) heranwachsen zu ihm, der das Haupt ist, Christus.” (Epheser 4,13+15)

Johannes wurde erwachsen. Jesus wurde erwachsen. Und so sagt uns Paulus: „Werdet erwachsen.“

Heute beginnen wir mit Kapitel 1 im Epheserbrief an und gehen der Frage nach, wie werden wir denn im Glauben erwachsen? Im Kapitel 1 springen mit zwei Punkte an: 1. Gemeinde und 2. Segen:

 

  1. Die Gemeinde

Der Epheserbrief beginnt mit „Paulus, an die Heiligen in Ephesus“.

Die Gemeinde ist der Ort, wo wir in Christus zu einem reifen Menschen aufwachsen. Doch die Gemeinde ist ein schwieriger Ort. Und trotz dem, früher oder später, wenn wir im Glauben wachsen und weiterkommen wollen, dann kommen wir nicht um die Gemeinde herum. Für viele Christen ist die Gemeinde der schwierigste Teil vom Christ-sein. Viele geben auch auf – ob wir es zugeben wollen oder nicht: Es gibt immer mehr Christen, die nicht mehr in die Gemeinde gehen, oder nur noch Gelegenheitsbesucher sind. Die Gemeinde ist eben nicht wirklich «sexy», sondern eine Realität mit Warzen und allem Drum und Dran.

Deshalb die Frage: Wieso überhaupt Gemeinde? Kurz: Der Heilige Geist hat die Gemeinde als Tür zum Himmel geschaffen. Ich sage dem, die Tür zu Narnia. Die Gemeinde ist der Schlüssel. Der Heilige Geist hat sie als menschliche Basis geschaffen. Sie ist eine körperliche Realität fürs Reich Gottes. Die Gemeinde ist nicht die ganze Geschichte, aber es ist ein Wegweiser, eben ein Vorposten.

Es braucht schon einiges, um die Gemeinde in ihrer Ganzheit zu akzeptieren. Wenn wir die Gemeinde an der Oberfläche anschauen, dann sieht sie aus wie jeder andere Verein oder Sportclub ist. Grüppli, die sich bilden und alles. Das ist nicht nur bedauerlich; das ist skandalös. Doch das ist nicht das, was die Gemeinde ausmacht.

Tief unter der Oberfläche geht es in der Gemeinde um mehr, als wir von Auge sehen, oder mit den Ohren hören. Es geht in erster Linie um das, was Gott tut, was auch immer die Menschen daraus machen: Missbrauch, und alles, was dazugehört. C.S. Lewis, der für seine Narnia Bücher bekannt ist, brauchte einen Begriff, den ich echt stark finde. Er redet von „Deep Church“, der «tiefen Gemeinde». Er brauchte diesen Begriff, um darauf hinzuweisen, dass tief unter der Oberfläche der Gemeinde etwas abgeht.

Ich mag den Begriff „Deep Church“, weil es uns auf das Leben hinweist, dort wo wir nichts mehr erwarten. Dort wo wir aufgeben, dort wo keiner hinschaut, dort wo es kein Leben mehr gibt: Im Tod. Ganze Länder kämpfen ums Überleben. Um nur zwei Prominente zu nennen: Ukraine und Israel. Aber auch ein Land wie die USA ringt momentan um ihre Seele. Schiessereien an Schulen. Aber wir kennen das auch auf der persönlichen Ebene. Letzte Woche sagt mir jemand, „Meine Ehe ist abgelaufen, und ich habe es nicht einmal gemerkt.“ Unsere Welt ist zu gepflastert mit Trauerkarten.

Die Praxis der Auferstehung ist dazu ein Gegensatz. Die Anwendung der Auferstehung sagt, „Ich entscheide mich ganz bewusst dafür, an der Auferstehung teilzunehmen. Auferstehung ist nicht einfach ein eingenebelter Wunsch. Nein, ich entscheide mich fürs Leben – ein Leben mit Jesus. Echtes Leben, das sich nicht in erster Linie mit all dem Negativen auseinandersetzt, sondern sich aufs Leben fokussiert.

Illustration

Wir alle haben jeden Tag die Wahl, mit was wir uns auseinandersetzen. Lassen wir auf das ein, was uns runterzieht, oder konzentrieren wir uns auf das, was uns aufbaut? Wie viel Zeit und Raum geben wir dem Willen von Gott versus all dem Negativen, das es noch zu flicken gäbe?

Paulus gibt uns den Schlüssel im ersten Vers: Paulus, Apostel Christi durch den Willen Gottes. Willen Gottes! In der Gemeinde geht es nicht um irgendwelche Privatinteressen. Ich will das. Ich will dieses. Nein, in der Gemeinde geht es um Gott, und das, was er will, und wir dürfen uns da einordnen. Das ist das Schwierige an der Gemeinde. Die Belohnung ist das Leben, und zwar ein Leben erfüllt von Gott. Er tut das Wunder.

Ich bin jetzt schon in der vierten Chrischona oder Viva Kirche und in Kanada war ich auch in zwei Gemeinden. Ich habe Warzen und alles gesehen. Ich habe auch mal erlebt, dass ich die Gemeinde unfreiwillig wechseln musste, einfach weil die Gemeinde kein gesunder Ort mehr war. Als ich meinen Eltern das erzählte, sagte mein Vater, «Willkommen in der Gemeinde!» Danach habe ich lange gekämpft damit, ob ich noch in die Gemeinde will. Und wenn es wieder einmal so einen Sonntag gab, wo ich stinke-sauer nach Hause ging, da fragte ich mich, für was setzte ich mich ein? Kritisieren ist einfach. Besser-machen ist etwas anderes. Nach langem Ringen habe ich mich für die „Deep Church“ entschieden. Gott ist am Werk und darauf will ich mich konzentrieren.

Wie war es an Weihnachten, als Gott seine Rettungsaktion für diese Welt begann? Wer war alles dort? CNN? BBC? ZDF? SRF? Live vom Stall in Bethlehem. Weihnachten war ein Wunder, und kein Scheinwerfer und keine Kamera war anwesend. Die Regierung sandte die Soldaten erst, als alles schon vorbei war.

Gott hat die Gemeinde ungefähr so gestartet wie das Wunder an Weihnachten. Der Heilige Geist kam in den Mutterleib von Maria, in einem Bauerndorf von Nazareth. Dreissig Jahre später kommt der Heilige Geist nochmals runter und dieses Mal in den Mutterleib von Männern und Frauen, Nachfolger von Jesus. Es passiert, als sie in Jerusalem das jüdische Fest von Pfingsten feierten. Die erste Empfängnis brachte uns Jesus, die zweite Empfängnis brachte uns die Gemeinde.

Es war ein Wunder, das überhaupt nicht wie ein Wunder aussah. Es hatte bei denen angefangen, die machtlos, verwundbar und gar nicht wichtig waren – nicht viel anders als die Durchschnitts-Gemeinde, wenn wir uns im Internet umschauen. Als Paulus von der ersten Gemeinde redet, braucht er keine romantischen Worte.

Schaut doch auf eure Berufung, liebe Brüder und Schwestern: Da sind in den Augen der Welt nicht viele Weise, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme. Im Gegenteil: Das Törichte dieser Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zu beschämen, ... damit kein Mensch sich rühme vor Gott. (1. Korinther 1,26-29)

Es ist schwierig unser Ideal von der Gemeinde loszulassen. Doch ich glaube, Paulus beschreibt hier das, was wir heute noch in der Gemeinde finden. Es braucht lange bis man damit zurechtkommt.

Wir wählen unsere Gemeinde nicht. Noch weniger wählen wir, wer Gott in diese Gemeinde beruft. Schau dich nur rum in unserer Gemeinde. Wir sind kein romantischer Club, wo alles reibungslos läuft. Wenn du von einem spirituellen Club redest, dann suchst du in unserer Gemeinde noch lange. Doch wenn du eine Zehe hier und einen Finger da, und einen hängenden Hintern sowie einen Ellbogen mit runzliger Haut überzogen okay sind, dann bist du am richtigen Ort.

Das ist Ephesus. Wir geben uns in die Gemeinde hinein. Das ist der „Heilige Boden“ auf dem wir in Christus aufwachsen, damit wir erwachsen werden – gesund und robust mit Liebe.

Fragen zum Mitnehmen:

  • Was ist für dich die ideale Gemeinde?
  • Was ist das, was dich an deiner Gemeinde stört?
  • Vertraust du Gott, dass es in deiner Gemeinde eine Tiefe gibt, wo Gott am Werk ist? Rede mit jemandem darüber, und ermutige andere, und lass dich selbst ermutigen.


Ich komme zum zweiten Punkt, und den könnten wir mit Segen überschreiben.

  1. Der Segen in Epheser 1,15-23

Paulus beginnt seinen Brief mit einem Segen (Eph 1,3-14). Den Gott, den wir da kennenlernen, ist ein Gott, der involviert ist mit dieser Welt und der präsent ist, checked-in. Er weiss, was bei uns abgeht, und er will nur das Beste für uns.

Wir lehnen uns in diesen Segen hinein, doch das ist nicht einfach. Wir brauchen Zeit, um uns daran zu gewöhnen. So wie wir uns hineingeben, so werden wir in Gedanken getauft. Wir tauchen im eiskalten Wasser vom Fluss der Auferstehung unter und kommen wieder hinauf, und alle unsere Sinne sind ganz aufgewühlt und unsere Vorstellungskraft gereinigt.

Wenn wir lernen wollen, wie wir im Glauben in Christus aufwachsen können, dann fängt das mit der Taufe an. Denn in der Taufe üben wir uns darin aus dem Tod zurückzukommen, d.h. Auferstehung, und das fängt mit dem Gebet an.

In der Taufe wird unser Leben neu definiert. Wenn wir bei der Taufe auftauchen, dann bekommen wir ein neues Leben geschenkt. Danach leben wir in dem, was ER tut. Unser Geburtskarte sagt uns, wann wir als Mensch geboren wurden, und die Taufkarte sagt uns, wo Gott sich in unser Leben eingehängt hat.

Wenn wir die Taufe ernstnehmen, dann werden wir durch die Taufe Söhne und Töchter von Gott. Das heisst, mit der Taufe fängt das Leben in der Kraft der Auferstehung an. Wir merken, dass unser Gebet nicht nur Worte ist, sondern, dass es auch unser Leben. Und dieses Leben braucht Übung, wie wenn wir als Kind reden lernen.

„Ich höre nicht auf für euch zu beten“. Paulus betet für die Gemeinde in Ephesus. Er gibt ihnen, und damit auch uns, Namen. Es sind die Heiligen.

Vers 16: „Ich höre ich nicht auf, für euch zu danken, wenn ich in meinen Gebeten an euch denke.“

Er bedankt sich bei Gott für uns. Bevor wir’s merken, betet er schon für die Epheser. Vers 17: „Ich bete, dass der Gott von unserem Herrn Jesus Christus, der Vater der Herrlichkeit, euch geben soll...“

Gebe was? Paulus listet fünf Sachen auf, die Gott uns geben soll

  • Weisheit und Offenbarung,
  • ein erleuchtetes Herz,
  • Hoffnung,
  • den Reichtum der Herrlichkeit von seinem Erbe
  • die überwältigende grosse Kraft.

Diese Gaben schweben uns nicht einfach zufällig vom Himmel her entgegen, so wie Konfetti. Sie haben eine Energie in sich. Sie sind die „Wirkung seiner Macht“ in Christus (V19-20). Die Macht, wo diese Gaben zu uns bringt, wird mit vier Handlungen beschrieben. Handlungen, die Gott in Christus vollbracht haben. So setzt Gott seine Macht in Christus um:

  • Er hat ihn von den Toten auferweckt.
  • Er hat ihn auf einen Thron zu seiner Rechten gesetzt.
  • Er hat alles unter seine Füsse gelegt.
  • Er hat ihn als Kopf für die Gemeinde gesetzt.

Die fünf Gaben, die da auf uns zukommen, zeigen uns, was wir von Gott erwarten können, wenn wir Auferstehung üben. Was Gott in unserer Welt am Umsetzen ist, fängt bei uns persönlich an und hat Auswirkungen für die ganze Welt. Das Umsetzen der Auferstehung ist nicht etwas, das wir im stillen Kämmerlein üben. Das ist nicht etwas, das wir privat für uns tun. Wir nehmen an alle dem Teil, was Christus tut. Die fünf Gaben und die vier Dimensionen passieren in der Macht von Christus. Und das „Lob seiner Herrlichkeit“ sagt uns dann auch schon, wie alles enden wird.

Das war jetzt alles ein bisschen viel für einen langen Satz. Ich will es zusammenfassen:

„The proof lies in the pudding!“ Auf Deutsch: „Der Beweis liegt im Pudding!“ Dieses Sprichwort sagt uns, dass man nur sagen kann wie gut der Pudding ist, wenn man ihn auch gegessen hat. Das heisst, wenn man ihn auf der Zunge schmeckt. Ich glaube wir müssen nicht einen Handstand machen, um die Kraft von Gott zu erleben.

Meine Frau und waren mal für drei Wochen mit dem Auto im Yukon von Kanada. Da ist man oft weit und breit allein auf der Strasse, und wenn man so Hunderte von Kilometern fährt und es ist einfach ein schöner Wald und See nach dem anderen, da liest man halt den Reiseführer, was da alles noch so Schönes vor uns liegt. Da bin ich also im Auto, und Katja sagt mir jetzt kommt dann Haines Junction. Das ist ein äusserst wichtiger Punkt im Yukon, weil dort alle Strassen zusammenkommen, und früher war das ein wichtiger Treffpunkt für Handel und Geschäfte.

Dann fahren wir und fahren wir und es hätte schon längst kommen soll. Dann sag ich Katja „Hey, irgendwie ist etwas falsch. Wir sind doch falsch gefahren?“ Sie sagt „Nein, aber du hast recht irgend etwas ist komisch.“ Dann sehen wir so einzelne Häuser am Strassenrand. Das kann doch nicht sein! Es müsste da eine wichtige Tankstelle haben.

Naja, dann kehren wir halt um. Und tatsächlich wir fahren irgendwie 15 Minuten retour und merken, dass wir tatsächlich an dieser Kreuzung vorbeigefahren sind, ohne dass wir es bemerkt hatten.

Wir hören die Predigt, wir lesen die Poesie in der Bibel, wir singen die Lieder, wir beten die Gebete. Wir lesen den Epheserbrief, den der berühmte Paulus geschrieben haben soll.

Wir lesen von „Christen, Auferstehung und Heiligen“. Und dann reisen wir weit weg an Pilgerorte. Wir schauen uns in Kirchen um. Und dabei sehen wir nicht, was wir eigentlich suchen. Wir fahren voll dran vorbei. Wir suchen die Kreuzung, erwarten etwas Grosses, das diesen Punkt ankündigt, doch dann sehen wir ihn nicht.

Das ist nichts Neues. Das geht schon lange so. Für die meisten Menschen, die zur Zeit von Jesus lebten, war er nichts Spezielles. Jesus, der Älteste aus einer Familie mit Brüdern und Schwestern, wuchs in einem kleinen Dorf in Nazareth auf, die meiste Zeit seines Lebens war er Zimmermann. Sein Leben nahm ein jämmerliches Ende: Ein gewöhnlicher Krimineller, der am Kreuz starb. Ein paar wenigen wichtigen Leute ist er aufgefallen, doch sie haben ihn abgelehnt: König Herodes Antipas erwartete ein Wunder wie eine Gegenstandslektion, und wurde enttäuscht. Pilatus war erstaunt, aber doch unbeeindruckt. Der Hohepriester Kaiphas hatte nur Spott übrig.

Auch bei der Auferstehung war Jesus nichts Gewaltiges: Maria Magdalena hatte ihn mit dem Gärtner verwechselt. Kleopas und seine Freunde liefen mit ihm zwei Stunden lang und führten ein Gespräch, ohne dass sie ihn erkannten. Es war sicher ein spannendes Gespräch, aber Gott? „Wir hatten es nicht verstanden – nicht verstanden, dass sie mit dem Retter der Welt sprachen?! Zwei Stunden lang mit Jesus gelaufen und über die Heiligen Schriften gesprochen, und sie verstanden nicht, dass sie mit dem Wort sprachen, das Fleisch geworden ist. Wieso haben sie es nicht verstanden? Vielleicht hatten sie wichtigeres im Kopf: Wunder, Bibelstudium und Gebetsgruppe.

Da nahm er das Brot, dankte, brach’s und gab’s ihnen (Lukas 24,30). Jetzt wo sie ein Brotstück in der Hand hielten, den Geschmack vom Brot auf ihren Zungen – verwurzelt im Vertrauten – da erkannten sie ihn. Paulus lief 3 Tage blind herum, bevor er ihn sah.

Wieso sehen wir Jesus nicht, obwohl wir schon so lange im Glauben sind, und ihn eigentlich jeden Tag sehen sollten? Wieso sehen wir ihn nicht? Halten wir mehr Ausschau nach einem Jesus, der auf dem Wasser läuft? Ein Sylvester Feuerwerk, ein riesen Stadtfest oder eine spirituelle Erfahrung im Yukon, wo wir ein Foto davon schiessen können und allen nachher zeigen? „Oder was habt ihr gehofft zu sehen, als ihr hinauszogt?“ (Matt 11,8)

Wieso macht Jesus nicht Werbung im Fernseher, auf YouTube oder TikTok? Wenn er doch als Gott bekannt werden will, der gerade da ist, um uns zu heilen, segnen und retten? Wieso macht er sich nicht gerade hier auf sich aufmerksam, und sagt uns was los ist? Wieso muss uns das Paulus in einem griechischen Satz aufschreiben der 1/3-Seiten-lang ist?

Die Antwort ist kurz: Gott offenbart sich uns in einer persönlichen Beziehung, und nur in einer persönlichen Beziehung. Gott ist nicht ein Phänomen, das in der Tagesschau kommt. Gott ist keine Energie, die wir einfach anzapfen können. Bei Gott gibt es nichts Unpersönliches, nichts Abstraktes, nichts Übergestülptes. Gott begegnet uns als Gleichberechtigte mit Menschenwürde. Er möchte uns nicht beeindrucken. Er ist da, um mit uns Brot zu essen und uns in seine Liebe willkommen zu heissen, und wir dürfen einfach so sein, wie wir sind.

Die Auferstehung ist eine riesige Kreuzung mitten in einer verlorenen und verlassenen Gegend – ja, das stimmt – Paulus übertreibt hier nicht. Doch die Anwendung von dieser Auferstehung ist keine Yoga-Übung, kein Yukon. Die unendliche Weite seiner Herrlichkeit liegt unter unseren Füssen. Es ist da, wo wir sind!

Fragen zum Mitnehmen

Was suchst du bei Jesus?

Was erlebst du?

Was siehst du vielleicht nicht, was Jesus schon am Tun ist?

Wo musst du vielleicht nochmals zurück, um zu realisieren, dass Gott schon am Werk ist?

Schluss

Ich bin mir bewusst, das alles ist so banal wie herausfordernd. Doch ich habe einfach versucht euch das näher zu bringen, was Paulus uns im Epheser 1 sagt. Ich glaube Erwachsen-werden ist nicht kompliziert.

Was es braucht, ist, dass wir realisieren, dass die Gemeinde und die Leute, mit denen ich umgeben bin, das ist der Ort, wo Gott mich brauchen will. Einfach und simpel.

Was es braucht, ist Vertrauen, dass Gott hier bei mir am Werk ist, und dass er das ganz persönlich tut. Nicht mit irgend etwas Abstraktem, wo ich zuerst noch eine lange Gebrauchsanweisung studieren muss. Er lädt dich ein, bei ihm an den Tisch zu sitzen und mit ihm zu essen. Gott will, dass wir uns das auf unserer Zunge zergehen lassen können, damit wir dann selbst sagen können:

„Schmecket und sehet, wie freundlich der HERR ist. Wohl dem, der auf ihn trauet!“ (Psalm 34,9)

[1] Ihr müsst von oben geboren werden. (Joh 3,7 – ZB2007)

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