Vielfalt – Wie kann Kirche & Netzwerk funktionieren, wenn wir so unterschiedlich sind?

Datum: 2. November 2025 | Prediger/in:
Serie: | Bibeltext: 1 Korinther 12:12, Epheser 4:1-7

Wie kann Kirche und Netzwerk funktionieren, wenn wir so unterschiedlich sind? In dieser Frage schwingt die Spannung mit, dass Unterschiedlichkeit etwas Schwieriges sein kann, das (fast) zwangsläufig zu Konflikten führt. Vielleicht wäre es einfacher, wenn alle gleich denken und handeln würden? Aber genau das Gegenteil ist wahr. Ein Orchester nur mit Trompetenoder eine Fußballmannschaft nur mit Stürmern – das funktioniert nicht. Erst das Zusammenspiel verschiedener Stimmen, bringt Klang, Bewegung und Tiefe. So beschreibt uns auch Paulus im 1. Koritnher 12,12 die Kirche: als einen Leib mit vielen Gliedern, als ein Miteinander, in dem jede und jeder eine einzigartige Aufgabe hat. Vielfalt ist keine Störung, sondern Gottes Idee. Darum fragen wir heute nicht, «ob» Kirche so funktionieren kann – sondern «wie». Was für Schritte braucht es, um mit dem Thema Vielfalt gesund unterwegs zu sein

  1. Vielfalt & Ergänzung als Normalzustand verstehen

Dieser Korinthertext (1 Kor 12) malt uns eine Vielfalt vor Augen, die für unser Kirchesein so grundlegend ist, dass du dich nicht einmal dann selbst herausnehmen kannst, wenn du es auch wolltest (V15). Obwohl Unterschiede tatsächlich zu Reibung führen können, wird in diesem Text klar, dass Gott diese Vielfalt gezielt so eingefädelt hat und wir eingeladen sind, uns als Teil dieses Größeren zu verstehen:

  • Deine Kirche ist immer größer als dein Beitrag und dein Lieblingsschwerpunkt.
  • Reich Gottes ist immer größer als nur deine lokale Kirche.

Wenn wir das ernst nehmen, dann treibt es uns dazu, diese Ergänzung und Vielfalt aktiv zu suchen. Und mich zu fragen: Wo kann ich mit dem, was mir gegeben ist, für den anderen da sein? [Als Leib, in dem] jeder einzelne Körperteil für den anderen da ist. (V25). In Epheser 4 sehen wir, wie Paulus dieses Selbstverständnis auf den praktischen Kirchenalltag anwendet. Er beschreibt, was es bei jedem Einzelnen braucht, damit das gelingen kann. Lies Epheser 4,1-7

An dieser Stelle fällt auf, dass Paulus zuerst ausführlich über das Verbindende redet, bevor er die Gaben und die Vielfalt in den Fokus nimmt. Offenbar ist es entscheidend, zuerst in die «Tiefe» zu gehen, bevor wir die «Weite» in Angriff nehmen.

  1. In Gott Verwurzelt sein – Grundbestand des Glaubens sichern

Im den Versen 4–6 erinnert Paulus an eine Art Grundbestand des Glaubens: ein Leib, ein Geist, eine Hoffnung, ein Herr, ein Glaube, ein Gott…(Eph 4,4-6). Eine ultraverdichtete Zusammenfassung, bei der jedes Wort wie eine Tür zu ganzen Glaubenswelten öffnet. Wer in einem solchen Grundbestand verwurzelt ist, kann sich gefahrlos der Vielfalt zuwenden. Ein Thema, das in unserer Zeit eine ganz besondere Aktualität hat: «Wir müssen Klarheit darüber habe, welche biblischen Wahrheiten unverhandelbar sind, welch religiösen Konstrukte wir abbauen können […] ohne das Fundament einzureissen» (Zitat: Roland Hardmeier im Buch Glaube der trägt, wenn alles im Fluss ist :20)

  • Wenn wir auf der einen Seite alles preisgeben, wenn wir keinen Grundbestand unseres Glaubens mehr haben und alles freischwebend ist, dann hat der christliche Glaube nichts mehr zu bieten – keine Hoffnung, keinen Anker, keine Richtung. (Vgl. Film Gravity 2013)
  • Wenn wir auf der anderen Seite stur an Dingen festhalten, die nicht zentral sind (weil sie z.B. im Lauf der Geschichte konstruiert wurden; oder nur vorlieben sind) dann verlieren wir eine Anschlussfähigkeit, die durchaus biblisch ist, und wir untergraben diese gesunde Vielfalt.

In Apostelgeschichte 15 begegnet uns – rund um das sogenannte Apostelkonzil – eine Situation, in der wir die frühen Christen dabei beobachten können, wie sie genau um ein solches Spannungsfeld gerungen haben: Was ist zentral und unverhandelbar, und wo können sie Weite zulassen? Was mich an dieser Stelle am meisten beeindruckt, ist, dass es ein wirkliches und ehrliches Ringen war und nicht alles von Anfang an klar war. Darum mein Impuls an dich: Fang an, offen und ehrlich mit dieser Frage zu ringen. Wir gehören zur Viva Kirche Schweiz

  1. Gestalte die Vielfalt Proaktiv

Kirche und Netzwerk funktionieren (am besten), wenn wir Vielfalt & Unterschiedlichkeit bewusst und proaktiv als Ergänzung aufstellen. An dieser Stelle malt uns der Ephesertext zwei Bereiche vor Augen, die wir beachten müssen.

3.1 Die Ebene der Gefühle und Haltung

Überhebt euch nicht über andere, seid freundlich und geduldig! Geht in Liebe aufeinander ein! (Epheser 4,2) Mit welcher Grundhaltung begegne ich meinem Gegenüber? Nicht immer gibt es nur einen richtigen Weg. Freundlich und geduldig zu sein heißt: Ich kann um die beste Lösung ringen, aber ich muss nicht immer gewinnen. In Liebe aufeinander einzugehen bedeutet, sich aktiv einander auszusetzen und wirklich verstehen zu wollen. Ich höre dir zu. Um in diesem Herzschlag unterwegs zu sein, hat mir folgender Gedanke geholfen: Es gibt immer einen Unterschied zwischen der „Wahrheit des Evangeliums“ und meiner Ansicht, meiner Interpretation. (Vgl. 1 Kor 13.9)

3.2 Die Ebene vom Handeln

Jedem Einzelnen von uns aber hat Christus besondere Gaben geschenkt, so wie er sie in seiner Gnade jedem zugedacht hat. (Epheser 4,7) - Jeder von uns hat Sachen, die ihm besonders gegeben sind. Da schließt sich der Kreis zum Korinther-Text. Proaktiv damit umzugehen heisst:

  • Ich weiss, wo meine Grenzen sind – wo ich ergänzungsbedürftig bin.
  • Ich erkenne, was mir gegeben ist – und setze es bewusst für das Ganze ein (1 Kor 12,25).
  • Mehr noch: Ich biete es anderen an.

So entsteht ein Netzwerk, das trägt – persönlich, in der Kirche und darüber hinaus. In der Apostelgeschichte haben wir ein lebendiges Beispiel, wie Paulus dieses Miteinander aufgestellt hat (siehe Bild unten). Ein Netzwerk lebt davon, dass keiner alles hat – aber, dass zusammen genug da ist. Wir gehören zur Viva Kirche Schweiz

Zusammenfassung

Wie kann Kirche und Netzwerk funktionieren, wenn wir so unterschiedlich sind?

  1. Fang an: Vielfalt und Ergänzung als Normalzustand verstehen.
  2. Werde dir klar darüber, was zum Grundbestand deines Glaubens gehört – und in welchen Punkten du getrost weit sein kannst.
  3. Übernimm Verantwortung für deine Grundhaltung anderen gegenüber.
  4. Lass dich ergänzen – und biete proaktiv an, was du zu geben hast.

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