Wohin schaue ich? (Psalm 121)

Datum: 14. Juli 2024 | Prediger/in:
Serie: | Bibeltext: Psalm 121

Ich denke es ist uns allen bekannt. Wir befinden uns in einer ungeheuerlichen Situation, unerwünscht und ungewollt. In solchen Momenten merkt man, oder ich, wie ungewollt man dort gelandet ist und wie unvorhersehbar das Leben sein kann.

Auch bei der jährlichen Pilgerreise der Juden nach Jerusalem war das Problem bekannt. Sie mussten durch gefährliche Gegenden gehen. Wir alle kennen das Gleichnis des Barmherzigen Samariters, welches genau dort stattgefunden hat. Ein Mann wurde auf dem Rückweg von Jerusalem, nach Jericho, von Räubern überfallen. Schliesslich, und das obwohl Menschen vorbeikamen, wurde im erst nach einer längeren Zeit geholfen. Dies zeigt uns, wie gefährlich es an diesem Ort zu und her ging (Lukas 10,25-37).

Woher kommt meine Hilfe? In der Situation des überfallenen Mannes aber auch in unserem Alltag benötigen wir immer wieder Hilfe – und um genau diese Frage geht es in einem der bekanntesten Psalmen. Woher kommt meine Hilfe? Es gibt so viele verschiedene Möglichkeiten: von mir selbst (wir können alles, sind starke Menschen, von Freunden, Familien, Nachbarn, Google (wie schnell ist das Handy gezückt und gibt uns eine Antwort), Ratgebern und was dir gerade noch einfällt. Bei dieser riesigen Auswahl an Varianten kann man sich fast überfordert fühlen.

Und jetzt kommen wir zu unserem Psalm – spannend ist, dass der Psalmist sich den Bergen hinwendet, vor der wichtigen Frage nach Hilfe. Wohin schaut er? Er nimmt mit seinen Augen etwas in den Fokus, seinen Blick richtet sich hinauf zu den Bergen.

Die Bergen haben etwas wundervolles an sich.  Sie sind gewaltig, zeugen von Macht, Grösse, Schutz und Sicherheit – sie sind immer wieder von neuem beeindruckend.
Die Berge spielen immer wieder eine wichtige Rolle bei der Übermittelung von Gottes Botschaften.  Nach der Befreiung aus Ägypten erhielt Mose am Berg Horeb die Botschaft für die Freiheit des Volkes. Auf dem Berg Morija ging Abraham den Auftrag nach, seinen eigenen Sohn zu opfern. Doch es fand eine Wendung statt – Gott brauchte dieses Opfer nicht, sondern wollte das Vertrauen Abrahams (und auch unser heutiges Vertrauen) gewinnen. Die folgenden Verse des Psalms können aus den Bergen kommen, von wo aus Gott immer wieder wichtige Botschaften und Zusagen übermittelt hat.

Und einen weiteren Grund, wieso der Blick auf die Berge gehoben wird. Dieser Psalm ist ein Wallfahrtslied. Pilgernd waren sie unterwegs, nach Jerusalem oder bereits auf dem Heimweg. Und Jerusalem liegt erhöht. Tempel in Jerusalem, im Allerheiligsten war der Ort, wo Gottes Gegenwart gegenüber seinem Volk präsent war, auch bereits lange Zeit vor dem Tempelbau. Auch lesen wir immer wieder, wie in 1. Kö 11,36, dass Jerusalem der Ort ist, wo Gott selbst erwählt , zu wohnen. Bevor er sich nach Hilfe sehnt, richtet er seinen Fokus auf den Herrn.

Fokus auf Gott

Wohin können wir unseren Blick in herausfordernden Situationen setzen? Wohin schaut jeder persönlich, wenn wir einer Gefahr ausgesetzt sind, mit Ängsten oder ungewollten Zuständen konfrontiert werden! Wohin lohnt es sich zu schauen, auch wenn alles tipptopp ist und das Leben rund läuft: Es gibt verschiedene Optionen:

  • Auf unsere Nöte
  • Auf den Nächsten
  • Auf unsere eigenen Möglichkeiten, aus eigener Kraft noch mehr zu erreichen
  • Weitere Möglichkeiten

Eine Möglichkeit und die ist uns allen bewusst, ist unseren Fokus, unser Denken und unseren Blick auf Gott auszurichten. Damit es uns wie dem Psalmist gelingt, auf die Frage mit einer klaren Gewissheit zu antworten: Meine Hilfe kommt vom HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat – ist das nicht genial, er ist nicht nur unseren Herrn, sondern zu noch so viel mehr fähig. Er hat die Kraft und Macht das, was die Welt umfasst und die ganze Schöpfung zu kreieren – eine unheimliche Gewalt muss dahinterstecken. Er ist ein Macher. Wenn er zu so grossem fähig ist, kann er auch uns aus der «Patsche» helfen.  Wir haben so viele Möglichkeiten unseren Blick auszurichten – doch wir können uns nach Gott ausstrecken, er als verlässlichste Quelle der Hilfe.

Interessant ist, dass Gott zu der Zeit, als dieser Psalm geschrieben worden ist, nicht immer die erste Anlaufstelle war. Nein, eher im Gegenteil, Gott war nicht im Bewusstsein der meisten Menschen. Sie setzten ihren Fokus ähnlich wie unsere Gesellschaft. Eine dieser Optionen war, dass sie auf die eigene Machbarkeit und ihr eigenes Können zählten. Die Geschichte des Turmbaus von Babel (Genesis 11,1-9) zeigte, wie früh das Verlassen auf die eigenen Fähigkeiten und sich selbst gross machen, scheitern kann. Die Illusion, dass wir das Leben allein meistern können, ist falsch. Die andere Option war, dass wir anstelle zu Gott gehen, Götter anrufen (damals war es geläufig, bei schlechtem Wetter zu Baal zu gehen). Die Götzen sind jetzt nicht mehr unser Problem, aber kann es nicht sein, dass wir (un)bewusst anderes vergöttern anstelle Hilfe von Gott zu erwarten und unser Vertrauen auf unseren Herrn alleine zu setzen.
Für den Psalmist war klar, wo er Hilfe zu erwarten hat –er setze sein Vertrauen ganz auf Gott.

Was, wenn nicht alles rund läuft?

Im Unterwegssein mit Gott sind wir leider nicht davon befreit, dass alles immer perfekt läuft und wir keine Hilfe benötigen. Ich erlebe es immer wieder, in herausfordernden Situationen gestellt zu werden und bisher konnte ich nicht auswählen, ob ich dort sein möchte – aber unabhängig von der Hürde, welche da war, konnte ich entscheiden, wie ich damit umging Und ja es ist sehr bereichernd, gemeinsam mit Freunden, Familien oder auch in einer Gemeinschaft unterwegs zu sein – aber hier geht es gerade um die persönliche Beziehung, wohin wir uns wenden dürfen! Machen wir das immer? Geraten wir nicht in Gefahr, manchmal nach anderen Optionen, wie ich vorher aufgezählt habe, sich auszurichten?

Zu diesen Fragen habe ich ein passendes Zitat gefunden, dass genau das klar macht:

Welche Stelle nimmt Jesus in unserem Leben ein? Ist er nur ein Passagier, den man im letzten Augenblick aufweckt, oder ist er der Kapitän, der das Schiff steuert und die Stürme meistert? Ist er mein Freund, mein Herr, mein Retter, dem ich meine Freuden und Leiden anvertraue, bei dem ich Trost und Frieden suche und bei dem ich Kraft finde zum Weitergehen? (John Graz)

Wir wissen, dass Gott da ist und er uns Hilfe gibt. Aber ist er auch jemand, der stets im Alltag präsent ist, nicht nur, wenn er «benötigt» wird. Darf er Bescheid wissen über meine Freuden oder klage ich alleine mein Leid? Wohin richtest du deinen Fokus, in denen Momenten, in denen du alles alleine erreichen kannst? Ich möchte ermutigen, dass er zum Kapitän deines Lebens wird.

 Mose – einer, der Gottes Hilfe erlebt

Einer, der Gottes Hilfe und seine Kraft im Leben erfahren durfte, war Mose. Er, ich und ihr vielleicht auch kennen Momente, in denen es schwer war, sich Gott zuzuwenden. Vielleicht, wenn man sich vor einem Auftrag scheut.

Die Gründe, warum wir nicht mit Gottes Eingreifen rechnen oder nicht sofort bei ihm um Hilfe bitten, können vielfältig sein. Man fühlt sich ungesehen, nicht wertvoll oder hat andere Bedenken. Doch es ist tröstlich zu wissen, dass Gott immer da ist und hilft – damals wie heute.
Bei Moses war es so, dass er vorerst zögerte, seine Berufung als Anführer des Volkes Israel anzunehmen. Er benötigte Hilfe, allein wäre diese Aufgabe nicht gelungen. Vielfältig waren seine Vorwände (wie oft machen wir uns selbst klein, ich kann das nicht, ich bin zu dumm, ich bin zu schlecht, wieso genau ich?). Bei Mose war es unter anderem:

  • Er fühlte sich unwürdig (Ex 4,1).
  • Er hatte Bedenken, wegen seiner mangelnden Fähigkeit, vor Menschen zu sprechen (Ex 4,10).

Obwohl Gott zornig wurde, durfte Mose seine Hilfe erleben. Aaron wurde Mose zur Seite gestellt, er ergänzte ihm und er musste nicht alleine durch die Herausforderung gehen.
Wie Mose, der sich unfähig fühlte, das Volk Israel zu führen, und dennoch durch Gottes Hilfe und Unterstützung von Aaron diese Herausforderung meisterte, können auch wir in unseren Schwächen auf Gottes Kraft vertrauen.

Nachdem jetzt klar ist, von wem die Hilfe kommt,  widmen wir uns dazu, wieso es sich lohnt, Gott als Helfer und Begleiter in jeder Lage an unserer Seite zu haben. Auch wenn wir uns wie Mose bei seiner Berufung unzulänglich fühlen, dürfen wir sicher sein, dass wir Unterstützung erleben. Sei es durch Menschen in unserem Leben oder durch seine unmittelbare Kraft und Führung. Und bei seinem Hilfeakt bleibt es nicht – er gibt uns viele gute Gründe, die wir immer wieder zu unserem Herzen führen dürfen, wieso es sich lohnt, von ihm Hilfe zu erhoffen.

  • Er wird deinen Fuss nicht wanken lassen; nicht schlummert dein Hüter.

Kein Wanken geschieht, er garantiert uns Stabilität und festen Bestand. Manchmal geraten wir innerlich aus dem Gleichgewicht, ins Schwanken und Stolpern. Die Gründe sind vielfältig, sei es durch eigene Verbitterung, Neid oder Hoffnungslosigkeit, die unseres Lebens beeinflussen können (Psalm 73,2f). Doch wenn wir auch in diesen Situationen unseren Blick auf Gott richten , dann können uns diese Sachen, diese Verbitterung nicht von Gottes Liebe und Geborgenheit trennen (Römer 8,31-39). In seiner Gegenwart dürfen wir festen Fuss fassen.

Nicht schlummert dein Hüter: er lässt es nicht zu, denn er ist immer wach, präsent und voller Interesse an uns da. Ein Bewachen unserer Seele und unseres Lebens geschieht mit voller Ausdauer. Andere Götter waren genau nicht die ganze Zeit wach. Und in dem Moment, wo wir nicht selbst denken und etwas steuern können, in unserem Schlaf, genau dann ist unser Gott im Gegensatz zu den anderen wach! Ist dies nicht wunderbar. Wir dürfen vertrauen und Bewahrung erleben. Und auch Jesus schlief und konnte so Kraft schöpfen (Klassiker: Geschichte als er auf dem Meer war und es stürmte: Jesus schlief dabei). Beim Schlummern hat man den Eindruck, dass man noch irgendwo anwesend ist - Schlummernde Soldaten gehen unaufmerksam ihren Dienst nach, Gott ist nicht unaufmerksam, er ist voll da.

  • Der HERR ist dein Hüter, der HERR dein Schatten über deiner rechten Hand, dass dich bei Tage die Sonne nicht sticht, noch der Mond in der Nacht

Der Schatten ist da, zum einen steht er für den, welche besonders wichtig ist auf der Pilgerreise. Die Sonne scheint drohend heiss, die Gefahr besteht zu leiden oder gar auszutrocknen. Gottes Schatten bietet nicht nur einen physischen, erlebbaren Schutz in der Wüste, sondern steht uns in allen Lebenslagen zu. Auch in der Nacht, geht keine Gefahr von Gott – er ist uns nahe, wo immer wir uns in seinem Schatten aufhalten und Hilfe von ihm beziehen.

  • Der HERR behütet dich vor allem Übel, er behütet deine Seele,
    der HERR behütet deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit.

Vor dem Schlechten werden wir bewahrt. Und er beschützt unsere Seele – besser verständlich unser Leben. Was wird behütet, nicht nur ein Körperteil, sondern das ganze Leben. Und wie lange? Dieser Schutz umfasst nicht nur den jetzigen Moment, oder einen Bruchteil unseres Lebens, sondern von jetzt bis in die Ewigkeit – eine enorm grosse Zeitspanne, kaum vorstellbar aber einfach genial. Jesus ist unsere Tür des Lebens, durch ihn haben wir die Möglichkeit in diesen Schutz ein- und auszugehen.

Wer denkt, dass dies der einzige Vers ist, wo es um die Kraft Gottes geht und um seinen Schutz, täuscht sich – aber ich denke das ist im Bewusstsein von euch. Oder was ist, wenn doch mal Übel eintritt? Während der Vorbereitung las ich den 2. Korinther mit Freunden und da stiess ich auf folgenden Vers:

Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefässen, damit die überragende Kraft von Gott sei und nicht von uns (2. Kor 4,7 ).

Paulus ist ein Mensch, der enorm viel erleben durfte, er erlebte Herausforderndes, von Schiffbruch, über Streitereien auch Inhaftierungen und körperliche Strapazen. Er erleidet «Übel» aber doch sieht er den Schatz, durch den wir die Kraft von Gott erhalten dürfen. Warum brauchen wir diese Kraft? In den umherstehenden Versen wird erklärt, dass wir zwar verfolgt, aber nicht verlassen sind, bedrängt, aber nicht erdrückt werden, in Verlegenheit geraten, aber nicht verzweifeln müssen. Dies bedeutet, dass unsere Umstände durchaus anstrengend sein können und wir dafür sicher nicht ausreichend Kraft haben. Aber sicher unser innerer Mensch darf durch Gottes Kraft ständig erneuert und gestärkt werden. Paulus konnte sein Leiden im Licht der zukünftigen Herrlichkeit sehen und ertrug es nicht bitter oder verzweifelt, sondern mit Hoffnung und Freude, weil er wusste, dass er ständig mit Gottes Hilfe versorgt wurde.

Woher kommt seine Hilfe – seine Hilfe kommt vom Herrn! Trotz den schwierigen Umständen.

Von wo kommt meine Hilfe?

Wenn wir uns dem Psalm 121 zuwenden, erkennen wir eine zutiefst persönliche und universelle Zusage: Gott ist unser beständiger Helfer und Beschützer, der weder schläft noch schlummert. In herausfordernden Zeiten, in Momenten der Angst oder Unsicherheit, und auch im Alltag dürfen wir auf diese Verheissung vertrauen. Der Psalmist richtet seinen Blick auf die Berge, auf Jerusalem, den Wohnort Gottes, und weiss mit Gewissheit, dass seine Hilfe von dort kommt, trotz den Gefahren, die ihn umgeben.  Diese Zuversicht dürfen auch wir haben.

In einer Welt, die oft von Unsicherheiten geprägt ist, finden wir in Gott eine feste und unerschütterliche Hoffnung. Seine Zusage bleibt bestehen: "Der Herr behüte dich vor allem Übel, er behüte deine Seele. Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit." (Psalm 121:7-8).

Deshalb dürfen wir entscheiden, wohin wir schauen möchten. Es lohnt sich, den Blick auf unseren Herrn zu richten, der Himmel und Erde erschuf und vertrauen, dass wir seine Hilfe erleben dürfen!

 

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