Josuas Vermächtnis
Serie: Gott mitten im Chaos | Bibeltext: Richter 1,1-21
Nach Josua: Das Vermächtnis eines grossen Führers (Richter 1,1-21)
Es gibt Momente im Leben von Menschen und Nationen, die alles verändern. Die Geburt vom ersten Kind ist so etwas: Das Leben der Eltern verändert sich für immer. Wenn der letzte überlebende Elternteil stirbt, ist es auch so: Eine Generation tritt ab. Das ist ein Übergang, der nicht rückgängig gemacht werden kann. Es gibt keine “Undo” oder “Rückgängig” Taste. Im Leben von einer Nation kann das der Tod von einem grossen Führer oder das Erreichen der Unabhängigkeit sein. Manchmal sind Übergänge in eine neue Situation traumatisch und wir bekommen eine Vorahnung von dem, was da noch kommen wird. Für mein Schwiegervater war es der Abwurf der Atombombe in Hiroshima am 6. August 1945. Durch diesen Abwurf wurde er vom KZ entlassen, doch noch wichtiger, die Welt wurde dadurch verändert. Nach Hiroshima mussten Nationen neue Wege suchen, um ihr Land zu schützen. Man konnte das Blatt drehen und wenden, wie man wollte, die Zeiten hatten sich verändert. Es gibt solche die sagen, dass der öffentliche Zugang zu künstlicher Intelligenz wie ChatGPT auch ein solcher Übergang ist. Die Welt ist seit der Einführung von KI nicht mehr dasselbe wie vorher. Das Rad kann nicht zurückgedreht werden. So wie diejenigen, die nach 1945 geboren wurden, das Rad der Atombombe nicht zurückdrehen konnten, so können diejenigen, die nach 2024 geboren werden das Rad von KI nicht zurückdrehen.
Das Buch der Richter beginnt mit einem solchen Übergang. Josua ist gestorben. Eine Ära vom Weiterkommen und Vertrauen ist vorbei, die Zukunft ungewiss. Josua war nicht irgendeiner. Er für Israel von enormer Bedeutung. Durch seinen Mut und Glauben an Gott und seine militärische Führung hatte er Israel ins verheissene Land geführt. Er war nicht perfekt, aber er war ein grosser Mann – der grösste Mann seiner Generation –, und wenn er jetzt weg ist, dann hinterlässt das ein Loch. Im Buch Josua, war Josua von Anfang bis zum Schluss der Platzhirsch. Als Mose starb, war Josua schon eingesetzt. Mose hatte ihm den Auftrag schon gegeben. Im 5. Mose/Deuteronomy 34,9 lesen wir, "Josua aber, der Sohn des Nun, war erfüllt vom Geist der Weisheit, denn Mose hatte ihm die Hände aufgelegt." Nach Mose kam Josua. Aber nach Josua gab es niemanden Besonderes. Es gab ein Führungsvakuum, und Israel steckte in der Krise.
Josuas Einfluss
Wir spüren zwar immer noch den guten Einfluss, den Josua hinterliess: Josua hat in Israel Spuren hinterlassen. Ein solch grosses übt einen gewaltigen Einfluss aus, und die Auswirkungen merkt man noch Jahre später. Aber egal wie gross die Vorbilder waren, auch sie haben Fehler, und manchmal kann der Einfluss, den sie hinterlassen, auch schaden. Salomo ist da ein Paradebeispiel. Anfangs war er ein positives Vorbild, doch in der zweiten Hälfte seines Lebens haben seine Misserfolge Israel geschwächt und am Schluss gespalten hinterlassen (1. Kö 11,12). Doch das Vermächtnis von Josua war positiv: „Und das Volk diente dem HERRN, solange Josua lebte und solange die Ältesten am Leben waren, die Josua überlebten“ (Ri 2,7). Josua war zu seiner Zeit das grösste Vorbild, und diejenigen, die ihn kannten, wollten so sein wie er. Auch nach seinem Tod folgten sie weiter seinem Beispiel. Was für Spuren hinterlässt Josua? (Ri, 1,1-21)
Einheit (V1)
Es ist traurig, wenn man zuschauen muss, wie einer Familie die Einheit abhandenkommt. Worte, die man besser nicht gesagt hätte. Ego-Handlungen, die man besser nie unternommen hätte. Es kommt zu Verletzungen und es wird schwierig zu vergeben. Der Stärkere setzt sich auf Kosten vom Schwächeren durch. Streit ums Geld, und besonders Erbstreitigkeiten, spalten manchmal Familien so, dass man über Jahre in einer Pattsituation sitzen, ohne weiterzukommen. Bitterkeit macht sich breit und Beziehungen werden zerstört, und der Schaden, kann dann mehrere Generationen überdauern. Das Gleiche passiert manchmal mit ganzen Nationen. Ein Präsident kommt an die Macht und spielt Gruppen gegeneinander aus. Nach aussen sieht alles goldig poliert aus, aber in Wirklichkeit zerbröckelt das Ganze. Und wenn der Präsident stirbt oder abtreten muss, kommt es manchmal zum Krieg, weil man sich nicht einigen kann, wer jetzt die Macht übernimmt. Militärisch und wirtschaftlich strotzen sie, aber was sie zurücklassen, stinkt – eine Nation in sich gespalten. Bei Josua ist das nicht so. Da gibt es keine Gruppe, welche die Führung übernehmen will. Die Israeliten sind eine Einheit: “die Israeliten befragten den HERRN” (1,1). Josua war der Leitertyp, der die Menschen zusammenbrachte, anstatt sie gegeneinander aufzuhetzen – ein Zeichen von wahrer Grösse.[1]
Menschen, die nach Gott fragen (V1)
Eine Führungskraft geht voraus. Damit das funktioniert, braucht es Autorität und Respekt. Josua tat das nicht dadurch, dass er auf seine absolute Macht aufmerksam macht. “Und wenn ich sage ist so, dann ist es so!” So quasi, “ich bin jetzt der Chef und ihr müsst mir gehorchen!” Nein, er machte seine Nachfolger auf den EINEN aufmerksam, auf den, dem alle Menschen Rechenschaft schuldig sind, auch er als Josua. Mose hatte ihm das eingeprägt (Deut 31,1-8+23) und das, was ihm von seiner Begegnung mit Gott hängen blieb (Jos 5,13-15). Ja, Josua hinterliess eine Lücke, aber die Israeliten wussten, dass es da noch den EINEN gab. Sie "befragten den Herrn" und suchten von ihm, als ihrem obersten Befehlshaber, Weisung. Sie wussten, dass sie sein Volk waren, seine Armee. Josua hatte Gott nie in den Schatten gestellt, und das war sein Vermächtnis. Sie sollen weiter nach Gott fragen – er ist ihr Chef, auch jetzt, wo Josua nicht mehr bei ihnen ist.
Kapitel 1 sagt uns nicht, wie sie Gott «befragten». In Kapitel 20 werden die Orakelsteine Urim und Tummim erwähnt.[2] Josua hatte diese Art Gott zu befragen von Mose gelernt (Num 27,18-21). Damals in der Wüste zeigt ihm Gott mit diesen Steinen, wie es weiterging. Hier in Vers 1 wird uns nicht ein einfaches Ja oder Nein gegeben, weshalb wahrscheinlich mehr im Spiel war als die Steine Urim und Thummim. Wahrscheinlich sprach Gott durch den Priester, einen Propheten oder den geheimnisvollen “Boten des Herrn”.[3] Ich glaube es ist entscheidend, dass uns nicht gesagt wird, wie sie Gott befragten. Denn heute noch ist es so, dass es viele Wege gibt, um auf Gott zu hören. Es geht nicht um das Wie, sondern darum, dass wir auf Gott hören. Und uns bewusstwerden, dass wir Gott brauchen.
Ich weiss nicht, was du für Vorbilder in deinem Leben hast, die dir helfen, auf Gott zu hören. Diese Vorbilder sind wichtig, doch irgendwann kommt der Punkt, wo du selbst lernen darfst auf Gott zu hören. Vielleicht ist es auch der Abschied von einem grossen Vorbild in deinem Leben, oder vielleicht ist es der Punkt, wo du sagst, ich bin jetzt im Glauben reif genug.
Netzwerken und Zusammenarbeiten (V3-21)
Ein weiterer Aspekt von Josuas Vermächtnis war seine Zusammenarbeit und sein Netzwerken. Josua war kein Einzelkämpfer. Ihm war Teamwork wichtig. Er konnte delegieren und mit anderen zusammenzuarbeiten – so hatte er es vorgelebt. Immer wieder sehen wir im Buch Josua zusammen mit dem Priester Eleasar, den Ältesten und den Familienoberhäupter welche die Stämme leiteten.[4] Die Formulierung "er und die Ältesten Israels" zeigt uns, wie Josua seine Führung mit anderen Schlüsselpersonen geteilt hatte. Er hatte mit ihnen getrauert, als Israel eine schwere Niederlage bei Ai erlitten hatte (Josua 7,6), und er war buchstäblich mit ihnen "vor dem Volk" herzogen, als sie ein zweites Mal nach Ai hinaufzogen (Josua 8,10). Das sind Beispiele für gemeinsame Führung, und dazu gehört auch Bescheidenheit, Vertrauen und das eigene Ego Zurückstellen, Ich-muss-nicht-als der-Grösste-dastehen. Und wir sehen hier im Anfang vom Buch Richter, wie Josua die nach ihm geprägt hatte. Es heisst hier: “Und das Volk diente dem HERRN, solange Josua lebte und solange die Ältesten am Leben waren, die Josua überlebten.“ (Ri 2,7a) Josua prägte Israel.
Zur Zeit der Richter bestand Israel aus zwölf Stämmen. Jeder von ihnen war benannt nach einem der zwölf Söhne von Jakob. Das gab jedem eine genaue Identität; sie waren mehr als nur “Israeliten”. Dadurch identifizierten sie sich zuerst einmal mit ihrem Stamm und nicht nur mit ihrer Nation. Das ist in sich nichts Schlechtes, aber dahinter steckt eine Gefahr. Nämlich, dass jeder nur für sich schaut, und dann die Einheit von Israel vernachlässigt wird. Wenn jeder Stamm nur für sich schaut, dann kann das zur Rivalität und einem ungesunden Wettbewerb führen, der am Schluss alles kaputt macht. Gegen Schluss der Zeit der Richter wäre das fast passiert. Aber da am Anfang, ist der Einfluss von Josua noch zu spüren. Sie arbeiten zusammen und es geht nicht um Konkurrenz.
Josua hatte Israel in einigen Feldzügen angeführt, um dem kanaanäischen Widerstand zu brechen. Danach hatte er das Land nach Losen aufgeteilt, und jeder Stamm bekam einen bestimmten Teil von Kanaan als Erbe (Josua 1,10-12,24; 13,1-31). Aber in seiner Abschiedsrede machte Josua deutlich, dass es noch viel zu tun gibt. Die Kanaaniter lebten nämlich immer noch in den ihnen zugeteilten Gebieten. Deshalb soll jeder Stamm sein Gebiet in Besitz nehmen und dort Präsenz markieren. Dies wird nicht einfach, und einige Gegenden werden schwieriger das durchzusetzen, insbesondere dort wo viele Kanaaniter wohnten, z.B. in den befestigten Städten. Nicht alle Stämme werden da gleich vorgehen können. Einige Stämme waren grösser als andere, d.h. sie hatten mehr Personal und Ressourcen. Wenn Israel als Ganzes die Aufgabe packen sollte, dann müssen sie zusammenarbeiten, und das ist genau das, was wir in der ersten Hälfte von Richter 1 sehen.
Der Stamm Juda wird als erstes erwähnt: «Und der HERR sprach: Juda soll hinaufziehen; seht, ich habe das Land in seine Hand gegeben“ (V2). Und dann heisst es in Vers 3: „Und Juda sprach zu Simeon, seinem Bruder: Zieh mit mir hinauf in meinen Losanteil und lass uns gegen die Kanaaniter kämpfen; und dann werde auch ich mit dir in deinen Losanteil gehen. Und Simeon ging mit ihm.“ In Vers 17 wird das dann nochmals erwähnt. Das heisst, was dazwischen passiert wird von der Zusammenarbeit eingerahmt. Wenn also der Stamm Juda seine Feldzüge durchführen, dann sollen sie zusammenarbeiten (V9-17). Die kleinen Stämme und Clans, wie die Keniter und Benjaminiter (V16, V21), konnten am meisten von Zusammenarbeit profitieren, aber auch Juda und schliesslich ganz Israel. Wenn sie zusammenarbeiteten, waren sie stärker. Das Ganze wird kein einfaches Unterfangen, und die Einheit von Israel wird auf die Probe gestellt werden. Doch der Start war doch schon mal vielversprechend, Josua hatte ihnen gezeigt wie’s geht.
Der Segen Gottes
Josua war für Israel ein gutes Vorbild, aber er war nicht der Hauptgrund für den Erfolg dafür, dass der Stamm Juda mit ihren Männern erfolgreich war. Gott war derjenige, der ihnen zum Erfolg verhalf. Josua war lediglich ihr Vorbild, und Josua diente ja auch Gott. So hatte er es am Schluss von seinem Leben formuliert: „Und seht, ich gehe heute den Weg aller Welt. Bedenkt von ganzem Herzen und von ganzer Seele, dass nichts dahingefallen ist von all dem Guten, das der HERR, euer Gott, euch zugesagt hat. Alles ist für euch eingetroffen, nichts davon ist dahingefallen.“ (Jos 23,14) Gott ist treu. Er hat seinem Volk Verheissungen gegeben und sie gehalten. So war es auch mit dem, was Juda in Kaptiel 1 erlebte. Gott versprach Juda den Sieg (V2) und Gott hielt sein Wort: Er gab die Kanaaniter in die Hand von Juda und Simeon (V4), und der Herr war mit Juda (V19). Aber der wirkliche Grund für den Erfolg von Juda war nicht ihre gute Strategie, ihre militärische Überlegenheit, ihre Einheit, oder ihr Teamwork. Der wirkliche Grund war der Segen Gottes.
Im Text finden wir zwei Anekdoten, die uns den Segen Gottes aus nächster Nähe zeigen. Wie ein guter Kameramann zeigt uns der Autor nicht nur die Schlachten von weit oben, nein, er zoomt auch in ein paar Szenen hinein, um uns einen Einblick in zwei Beispiele zu geben. Bei der ersten Nahaufnahme bekommen wir Einblick in einen Kampf (V4-7) und der zweiten in Familienbeziehungen (V11-15).
Sieg (V4-7)
Die erste militärische Aktion vom Stamm Juda und Simeon fand in Besek in der Nähe von Jerusalem statt. Es war mutig, wie sie in feindliches Gebiet im Hochland von Kanaan eindrangen, und sie waren erfolgreich (V4). Die militärische Aktion wird in einem Vers behandelt, das war für den Autor nicht so wichtig. Der Fokus liegt auf dem Adoni-Besek, der Herr und Herrscher von Besek. Wir erfahren hier, was für ein Typ war und was sein Schicksal war (V5-7). Es ist nicht schön, was hier beschrieben wird: Es geht um Rache. Er war ein schrecklicher Herrscher und viele haben unter ihm gelitten, und jetzt gibt Gott ihm das, was verdient hat (V7). Es geht also nicht nur darum, dass Gott ihnen das Land gibt. Gott verurteilt hier die Art und Weise, wie dieser Adoni-Besek geherrscht hatte. Die Stämme Juda und Simeon führt hier das Urteil von Gott aus. Die Männer von Juda und Simeon rechnen mit diesem Tyrannen ab – doch es ist Gottes Urteil über ihn (V4). Das ist die Kehrseite vom Segen Gottes, sie halten Gericht über die Welt. Davon lesen wir auch im Neuen Testament. (Siehe z.B. 1. Korinther 6,2).
Für uns heute ist das ein bisschen fremd. Wir haben natürlich das Gebot von Jesus im Hinterkopf “Liebt eure Feinde! Tut wohl denen, die euch hassen!“ (Lk 6,27) Hier bei Adoni-Besek nicht um Rache, sondern es ist eine primitive Form von Gerechtigkeit ausüben. Im Sinne von „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Du hast mir geschadet, dann soll dir auch so gehen (Lev 24,19-20). In der Regel waren es Richter, die darüber wachten, dass das korrekt ausgeführt wurde (Ex 21,22). Da bei Adoni-Besek ist der Bericht sehr kurz und wir wissen nicht, ob es ein Gerichtsverfahren gab – wahrscheinlich nicht. So läuft das im Krieg, da hat man keine Zeit für lange Gerichtsverfahren. Doch Adoni-Besek wurde gerecht bestraft. Musst nur mal lesen, was er anderen angetan hatte. Das war sein Strafmass schon angebracht. Jesus hat das Prinzip der Rache wohl „abgeschafft“, aber das Prinzip der Gerechtigkeit durch Gericht nicht (siehe Matt 7,2+5,25f). Hier bei Adoni-Besek werden wir daran erinnert, dass Gott grausame Unterdrücker nicht für immer schalten und walten lässt, Gott zieht auch sie zur Rechenschaft.
Die Ehe (V11-15)
Der Segen Gottes wird in den Versen 11-15 noch etwas deutlicher. Es geht hier um einen jungen Mann, der für seine Tapferkeit belohnt wird. Othniel wird für seinen Einsatz bei der Schlacht um Kirjat-Sefer aus und bekommt dafür Achsa, die Tochter von Kaleb zur Frau. Wow, was für eine Ehre! Kaleb war ein enger Vertrauter von Josua. Die beiden waren Teil der 12 Spione, die Kanaan ausspionierten. Sie waren die einzigen zwei aus ihrer Generation, die wegen ihres Glaubens nach Kanaan durften (Num 13,6; 14,6-30). Vor allem Kaleb wurde von Gott gelobt, weil er "einen anderen Geist" hatte und dem Herrn voll und ganz nachfolgte (Num 14,24). Achsa gehörte also zu einer ehrwürdigen Familie und brachte ein entsprechendes Erbe mit, als sie Othniels Braut wurde.
Doch Achsa hat Qualitäten, die wir in den Versen 14+15 erkennen. Sie drängt ihren neuen Ehemann dazu, ihren Vater um ein Feld als Mitgift zu bitten. Als sich dann herausstellt, dass das Feld in der Negev in einem Trockengebiet liegt, da geht sie direkt auf ihren Vater zu und bittet auch noch um Quellen für die Bewässerung. Achsa ist nicht auf den Kopf gefallen. Sie hat einen klaren Kopf und denkt praktisch. Sie weiss, was es braucht, und steht ihre Frau. Und ihr Vater ist nicht jemand der zurückhält. Er gibt ihr, worum sie bittet, und dazu noch mehr: “Und Kaleb gab ihr die oberen Becken und die unteren Becken.“ (V15) Wir haben hier das Bild einer blühenden Wüste. Nicht nur Sieg in der Schlacht, sondern auch in der Ehe. Land und Fruchtbarkeit, ein reicher Segen von Gott. Othniel ist ein gesegneter Mann. Und das Tüpfchen auf dem i ist dann, dass Kaleb, wo mit Othniel und Achsa grosszügig war, in seinem hohen Alter Hebron bekommt. Einer, der sein Leben lang Gott von Herzen gedient hat, wird hier reich belohnt (V20).[5]
Wir müssen aber auch ehrlich sein: Es lief nicht alles perfekt. In den Versen 19b und 21 gibt es einige Hinweise, dass nicht alles nach Plan gelaufen ist. Es kommen noch schwierige Tage auf Israel zu. Aber der überwältigende Eindruck vom Text heute morgen ist, dass Gott zu seinen Verheissungen steht: "Und der HERR war mit Juda, und sie eroberten das Gebirge." (V19a) Nach dem Tod von Josua wird Israel reich gesegnet.
Was noch alles kommen wird
Bevor wir aber weiter gehen, wollen wir nochmal die Frage anschauen, die uns in Vers 1 gestellt wurde, wer wird uns führen? Die Antwort lautet Juda. Das ist einer dieser bedeutungsvollen Verse in der Bibel, weil daraus noch mehr entstehen wird. Eigentlich sollte die Antwort keine Überraschung sein, weil schon der Jakob über seinen vierten Sohn gesagt:
8 Juda du, dich preisen deine Brüder.
Deine Hand liegt auf dem Nacken deiner Feinde.
Vor dir werfen sich nieder die Söhne deines Vaters.
9 Ein junger Löwe ist Juda.
Vom Raub, mein Sohn, wurdest du gross.
Er hat sich gekauert, gelagert wie ein Löwe,
wie eine Löwin – wer will ihn aufstören?
10 Nie weicht das Zepter von Juda,
der Führerstab von seinen Füssen,
bis sein Herrscher kommt
und ihm gebührt der Gehorsam der Völker. (Genesis 49,8-10)
Juda war schon früh dazu bestimmt, die Führung zu übernehmen, aber erst jetzt da in Richter 1 wird das umgesetzt. Mose und Josua waren nicht aus dem Stamm Juda. Was sich da tut ist speziell. Israel braucht die Führung des Stamms Juda, damit sie ihr Potenzial entfalten können. Es geht hier aber nicht nur um den Stamm Juda, sondern da ist noch mehr drin, das kommt dann aber erst viel später. Aber da im zweiten Vers vom Richter fängt das an. Nach dem Tod von Josua führt nicht nur Juda die Stämme an, sondern Othniel, der erste Richter, er kam aus Juda (3,7-11). Und kaum sind die Judäer in Kapitel 1 als Führer ernannt, rücken sie schon gegen Jerusalem vor und unterwerfen die Stadt (1,7-8), die später die Stadt Davids werden sollte (2. Sam 5,6-10). So beginnt hier bei den Richtern etwas, das seine Wirkung in David und schliesslich in Jesus zeigen wird. Dem Sohn Davids, dem Messias von Israel, der dann in der Offenbarung als "der Löwe aus dem Stamm Juda" (Offenbarung 5,5) angebetet.
Zeit für Reflexion
Im Richter 1 geht es ums Vermächtnis von einem Grossen. Der Josua hat einen grossen Einfluss auf seine Generation und hinterlässt Menschen, die zusammenarbeiten, die Gott befragten, und so handeln, dass wieder Segen entsteht. Der Übergang funktioniert gut, zumindest am Anfang. Josua hatte sie gut vorbereitet. Hattest du in deinem Leben auch schon grosse Vorbilder gehabt? Ich glaube, wir alle brauchen die. Schon Paulus schrieb an Timotheus:
Ich erinnere mich an deinen Glauben, der frei ist von aller Heuchelei. Dieser Glaube war schon in deiner Grossmutter Lois und in deiner Mutter Eunike lebendig, und ich bin überzeugt, dass er es auch in dir ist. (2. Timotheus 1,5)
Es ist ein Privileg im Glauben ein oder mehrere Vorbilder zu haben, und genauso ist es ein Privileg für andere ein Vorbild zu sein. Wenn ich so in unsere Runde schaue, dann sehe ich einige Vorbilder, denn als Gemeinde haben wir stets Vorbilder, wobei das grösste Vorbild Jesus ist. Er ist uns vorangegangen und hat uns vorgelebt, wie wir leben sollen. Nicht immer fantastisch, so dass es auf Tiktok oder sonst wo gepostet wird. Oft sind die grossen Vorbilder unscheinbar, ja schon fast langweilig. Jesus hat seiner Gemeinde den Stempel aufgedrückt und wir dürfen uns von ihm immer wieder neu prägen lassen (siehe z.B Epheser 5,22-32). Wenn wir für andere ein Vorbild sind, dann ist das ein Segen und ein Wohlgeruch.
Jede Generation erlebt grosse Vorbilder. Mein erstes grosses Vorbild war meine Grossmutter. Sie blieb im Glauben treu, auch wenn mein Grossvater nicht mit in die Gemeinde kam. Dann waren für mich meine Jungschi Leiter riesige Vorbilder. Ich weiss noch, wie einer der Leiter mal im Gottesdienst laut betete. Das hatte mich so beeindruckt, dass ich das dann auch mal ausprobieren wollte. Später wurde ich selbst Jungschar Leiter, und habe die andere Seite erlebt. Für mich waren sie grosse Vorbilder, die trotz Niederlagen dranblieben. In meiner Heimatgemeinde, da gab es so Säulen. Am Anfang waren das drei Bauernfamilien. Später kamen andere dazu. Die blieben der Gemeinde treu, auch bei viel Auf und Ab. Das Leben läuft nicht immer linear.
Einmal habe ich einen Mann besuchen dürfen, der durch Wilhelm Pals zum Glauben kam und er erzählte mir, wie er danach ohne viel Vorwissen eine Kleingruppe startete. Das war einfach bei sich zu Hause in der Stube. Er war Lehrer und kannte viele im Dorf. Jesus hatte ihn so gepackt, dass er nicht anders konnte, als andere dazu einzuladen. Am Schluss konnte auf ein Leben zurückschauen, wo er viele Menschen prägen durfte und für viele zum Vorbild wurde.
Vielleicht kennst du auch solche Menschen, die einen grossen Einfluss auch dich hatten, und wo du gemeint hast, den oder die wird man nie ersetzen können. Aber die Realität ist, kein Mensch unersetzlich ist. Die Zeit vergeht, und Gott bleibt seinem Volk treu, und in jeder Generation erweckt neue Leiter, die im Glauben sagen, “Okay, dann bin ich jetzt dran”. Diejenigen, die schon länger im Glauben unterwegs sind, haben es schon bemerkt, kein Leiter ist perfekt. Wenn wir Leiter oder Vorbilder vergöttern, dann kann das zur Falle werden. Es kann zu einer Art Heldenverehrung führen, die es uns schwer macht, über den Leiter hinauszublicken, die Gott uns gibt. Es ist ja so, wenn alle unsere Vorbilder, die uns so wichtig sind, morgen genommen würden, dann wären wir nicht führungslos: Gott ruft auch heute noch Menschen.
Das sehen wir hier im Buch Richter wunderbar. Nachdem Josua starb, ist der Stamm Juda die Antwort, und Juda wird dann auch eine zentrale Rolle spielen, wenn Gott mit seinem Volk weitergeht. All die Verheissungen werden durch den Stamm Juda verwirklicht. All das, was Israel in den nächsten Jahren braucht, kommt durch den Stamm Juda. Und am Schluss hat Gott sogar noch einen grösseren Plan durch Jesus verwirklicht. Im Hebräer 12,1-3 heisst es, dass es viele gibt, die uns im Wettkampf anfeuern und unterstützen, aber Jesus ist es, der uns vorangeht. Jesus ist der Vollender unseres Glaubens. Er hat uns versprochen, uns nie im Stich zu lassen. Und so schauen wir auf ihn und gehen so vorwärts, und nehmen all das in Anspruch, was Gott für uns noch bereithält. Ich glaube, wenn wir das tun, dann werden nicht nur wir selbst gesegnet, sondern wie Josua werden dadurch auch die reich gesegnet, die nach uns kommen werden.
Wir singen jetzt zusammen das Lied «Gott, mein Fels»:
Du bist mein Halt, Du bist mein Fels
Mein sicherer Ort und mein Fundament
Selbst wenn die Welt um mich herum zerbricht (Wenn meine Vorbilder wie Josua wegsterben)
Weiß ich, dass Du, Gott, meine Zuflucht bist
[1] Ein Beispiel dafür ist, wie er in Josua 22 mit dem Vorfall um den Grenzaltar umging (siehe Num 32,20-22; Deut 3,18-20)
[2] Richter 20,27+28: Bei Mose heisst es, dass Urim und Tummim gebraucht wurden, um Gott zu befragen. Der Hohepriester trug diese beiden Steine in seinem Brustschild, und benutzte sie dafür, um zu erfragen, was Gott von seinem Volk wollte (Ex 28,29.30; Lev 8,8).
[3] z.B. 2,4; 4,4-7; 6,7-12; 10,11-14.
[4] z.B. Josua 3,12; 8,10; 14,1; 19,51; 21,1; 22,30
[5] Siehe Numeri 14,24; Deut 1,36; Josua 14,9+13, 15,13+14